Grüngräbchen im Herbst

Das Dorf Grüngräbchen, idyllisch gelegen an den nordwestlichen Ausläufern des Lausitzer Hügellandes – hat eine lange und wechselvolle Geschichte erlebt. Bereits im Jahre 1225 existierte der Ort als Hongeremsgrabov oder Grabowe und wurde als solcher Kamenzsches Lehen. Damit fällt wahrscheinlich auch die Entstehung des Rittergutes Grüngräbchen zusammen.

Ursprünglich war es nur eine slawische Siedlung, die der Wald- und Weidewirtschaft diente. Doch die Wettiner, die bereits 1136 in den erblichen Besitz der Markgrafenschaft Meißen kamen, konnten ihren Machtbereich im Milzener Land um die Mark Lausitz, dem Gebiet um Bautzen, erweitern. So wurde Grüngräbchen sehr früh deutscher Junkersitz.

Als die Urbarmachung der Flächen soweit fortgeschritten war, dass man Ackerbau und Weidewirtschaft betreiben konnte und in der Mehrzahl deutsche Kolonisten im Orte waren, benutzte man den eisernen Pflug im Gegensatz zum slawischen Holzpflug. Auch andere Getreidearten wurden angebaut und viele Einrichtungen kamen in Gebrauch.

Die zugeteilte „Hufe" bezeichnete das Land für eine Familie und das Ausmaß betrug gewöhnlich 12 ha, wobei allerdings noch viel Unland enthalten war. Dienste, die dem herrschenden Hofe zukamen, wurden Hofedienste genannt, slawisch „Robote". Die dem Herrn persönlich zustehenden Dienste hießen Frondienste.

Der größte Teil der damals lebenden Bauern waren bloße Pächter und konnten vom Grundstück, dessen Eigentumsrecht dem Gutsherrn verblieben war, gewiesen werden. Die Besitzer der Gartennahrungen nannte man Smurden, also die armen Bewohner, die vom Ertrage des Feldbaus nicht leben konnten und daher gegen Gewährung von Kost und Geldvergütung Dienste überall leisten mussten. Im Laufe der vielen Jahre sind verschiedene Änderungen in Bezug auf Eigentums-rechte und Leistungen eingetreten.

Im 14. Jahrhundert hielt sich in der Oberlausitzer Gegend ein „räuberischer Adel" auf. Wo seine Vertreter in Erscheinung traten, plünderten und mordeten sie. Den Bauern wurde das Vieh weggenommen und weggeschafft, keiner konnte etwas dagegen tun. Jahre später zogen wieder Kriegshorden durch die Dörfer und verursachten großen Schaden. Im Jahre 1590 soll es eine große Dürre in der Gegend gegeben haben, wes-halb das Getreide schlecht geriet und eine große Teuerung verursachte. 1609 war im Winter so eine grimmige Kälte, dass viele Menschen und Vieh umkamen. Auch in den Jahren 1617, 1620 und 1622 gab es große Teuerungen.

Obwohl es zu dieser Zeit harte Strafen gab – sogar Diebstähle wurden mitunter mit dem Tode am Galgen bestraft – wurden immer wieder Untaten verübt. Die Urteile wurden in Königsbrück vollstreckt. Die hingerichteten Menschen, wie auch Selbstmörder, verscharrte man auf Viehweiden.

Im Jahre 1633 ging in der Oberlausitz, wie schon so oft, die Pest um, an der viele Menschen starben. Auch Grüngräbchen oder Klein-Grabichin, wie man es damals nannte, blieb von dieser Seuche nicht verschont und fast in allen 20 Häusern waren Tote zu beklagen, die man auf einem örtlichen Grundstück nahe dem Schwanenteich begrub. Bei Rindern trat die Hornseuche auf. Not und Leid waren in diesen Jahren ständiger Gast der Dorfbewohner. Kriegshorden, Räubereien, Brandschatzungen, Requisitionen, Missernten, Teuerungen und Seuchen unter Menschen und Tieren machten das Leben zur Qual. Doch ein Wegziehen aus dieser Gegend war ohne Lösebrief und Zahlung eines Abzugsgeldes nicht möglich. Die jeweiligen Herrschafts-besitzer bestimmten über das Wohl und Wehe der Dorfbewohner.

Im Jahre 1643 kamen deutsche Exilanten aus Böhmen in die Oberlausitz, die wegen der Religionskämpfe in großen Scharen ihre Heimat verlassen mussten. Die aus Schlesien und Sachsen abstammenden Menschen wurden einst vom böhmischen Adel als Kolonisten in die böhmischen Randgebiete gerufen. Diese Exilanten wurden nun in den Siedlungen und Dörfern der Oberlausitz nach Bedarf aufgenommen und verpflichtet. Um das Jahr 1700 standen im Orte 20 Häuser, wie man aus dem Rauchsteuer-Cataster ersehen kann, da eine Feuerstätte immer eine Rauche war.

Trotz Ablösungsgesetz der Landesregierung Sachsen von 1832 kamen die Bauern der Gemeinde – vor allem Gärtner und Häusler – vom Frondienst nur zögernd frei. Einige Bauern konnten sich bereits früher mit hohen Geldleistungen von einigen auferlegten Pflichten gegenüber der Herrschaft freikaufen, während die letzten Fronden und Dienste bis 1840 abgelöst wurden.

Grüngräbchen gehört heute zur Gemeinde Schwepnitz, die gemeinsam mit den benachbarten Ortsteilen Bulleritz, Cosel, Grüngräbchen und Zeisholz gehören rund 2.600 Einwohner zählt. Bekannt geworden ist Grüngräbchen vor allem durch seine Rhododendron-Gärtnerei. Über zweihundertfünfzig Jahre ist es her, dass sich hier sieben Generationen der sächsischen Familie Seidel in ununterbrochener Folge dem Gärtnerberuf zugewandt haben.

Johann Heinrich Seidel bildete sich ab 1764 in berühmten Gärten deutscher Residenzen, sowie in Wien, Holland, England und Paris sieben Jahre wissenschaftlich aus. 1771 nach Sachsen zurückgekehrt, wurde er Adjunct an der Herzogin Garten zu Dresden und kurfürstlicher, später königlicher Hofgärtner.

Obschon sich die Fa. Seidel ungefähr seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Züchtung von Rhododendron befasste, begann eine großangelegte gezielte Züchtung erst unter Traugott Jacob Rudolf Seidel, nachdem man das Rittergut in Grüngräbchen von 150 Hektar mit ausgedehnten Moor- und Heideflächen und einem alten, hundertjährigem Kiefernbestand erworben hatte.

Grüngräbchen liegt in der rauhen Lausitz mit einer um etwa 4 Grad niedrigeren Durchschnittstemperatur als in Dresden, so dass beste Bedingungen für die Züchtung auf unbedingte Winterhärte gegeben waren. Heute sind weit über 400 verschiede-ne Sorten und Arten der Rhododendron zu sehen. Zur Blütezeit ist die öffentlich zugängliche Seidelsche Gärtnerei wegen ihrer tausenden Rhododendronsträucher und Blütenfarben ganz besonders sehenswert.

Die Umgebung von Grüngräbchen ist von großen Waldgebieten, Teichen, Wiesen und Feldern geprägt – eingebettet in eine gemäßigte Hügellandschaft am Nordwestrand des Lausitzer Berglandes.

Die slawischen Siedlungen, so auch Grüngräbchen, wurden aus begreiflichen Gründen meist an Flussläufen angelegt. Man brauchte Wasser für Mensch und Vieh sowie zum Antrieb von Brett- und Mahlmühlen, die in diesen Dörfern gebraucht wurden. An den Saleskbach ging man nicht so nahe heran wegen der Hochwassergefahr, der Wasserstrich war friedlicher, weil der Oberbusch mit seinem Moorgelände viele Niederschläge aufnahm und langsam durch die Quellen wieder abgab.

Um 1900 prägte der Glasmacheralltag die Gegend um Schwepnitz. Sie nutzten die so genannten Hüttenfelder – streifenförmige, schmale Felder entlang dem Bahndamm, um neben dem Glasmachgewerbe ihre Existenz mit dem Anbau von Kartoffeln und Gemüse zu sichern.

Zum Rittergut Schwepnitz gehörten Ländereien in einer Größe von 145 ha, die 1945 in der Bodenreform enteignet und an Aufstock- und Neubauern, die Gemeinde, den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb und das Land Sachsen aufgeteilt wurden. Anfangs wurden die Felder von ihren Besitzern noch selbst bewirtschaftet, aber die Zusammenlegung der Flächen in den LPG brachte für das Grün in und um Schwepnitz schlimme Zeiten. Windschutzhecken und Baumbestände zwischen den Feldern und Wiesen wurden gerodet, Wege und Bäche beseitigt und damit den Vögeln und Kleintieren wichtiger Lebensraum entzogen.

Die Regulierung des Wasserstrichs und die industrielle Bewirtschaftung der Teiche führten zu einer gravierenden Veränderung der Flora und Fauna.

Weit über seine Grenzen hinaus bekannt ist Schwepnitz seit vielen Jahrzehnten wegen seines Pilz- und Beerenreichtums. Während der Saison kamen in früheren Jahren viele, viele Dresdner mit dem Frühzug heraus, um am Nachmittag mit vollen Rucksäcken, Körben und Kisten wieder nach Hause zu fahren. In den Kiefernwäldern wuchsen einst reichlich Pilze, Preiselbeeren und Heidelbeeren; inzwischen ist das Aufkommen jedoch zurückgegangen.

Das einzige nennenswerte Fließgewässer der Gemeinde ist der Wasserstrich, an dem sicherlich auch die Besiedlung erfolgte. Er entspringt in der Nähe von Neukirch und trieb früher in Neukirch und Gottschdorf bereits Mühlen an. In Schwepnitz selbst war eben zu diesem Zwecke der Mühlgraben angelegt worden, der im Grünen Tal vom Wasserstrich abzweigte und die zum Rittergut gehörende Mahl-, Brett- und Knochenmühle von Traugott Lau antrieb.

Später war Gustav Sommer Mühlenbesitzer und nach dessen Tod übernahm Walter Domschke die Mühle und führte sie als Sägewerk weiter. Heute fehlen Mühlgraben, Mühlteich und auch die Mühle selbst. Da außer dem Großen und dem Kleinen Triemig und dem Birkenteich alle Schwepnitzer Teiche künstlich angelegt sind, mussten sie auch bewässert werden. Deshalb ließ der Rittergutbesitzer den Abzweig in der Orts-mitte entlang der Pfarrgasse und der so genannten Froschquake bis hin zu den Teichen anlegen.

Auf den Ständerstein des I. Eichteiches war die Jahreszahl 1827 eingemeißelt. Der Stein wurde entfernt. Eichteich und Vorderteich sind heute eins. Auch der Hinterteich stammt aus dieser Zeit, und 1884 wurde dann der Stockteich angelegt. Eine kleine Insel in seiner Mitte dient bis heute als geschützter wie beschaulicher Nistplatz für zahllose Wald- und Wasservögel …

Textquellen: Elke Röthig, www.schwepnitz.de, Christian Schröder, www.baumschule-seidel.de